Alltag unter Beschuss

Interview mit Haike Winter über ihr Leben in Israel seit dem 07. Oktober

Unser Vizepräsident Mirko Freitag hat sich mit Haike Winter, bekannte Tourguide und treue und aktive Freundin des KKL Deutschland, in Israel getroffen und mit ihr zu ihrem Leben unter den aktuellen furchtbaren Bedingungen gesprochen.

Zu unserem aktuellen Engagement in Ginegar finden Sie hier mehr. 

Mirko Freitag:

Liebe Haike, Du hast in den vergangenen Jahren schon oft der KKL Community in Deutschland über Israel berichtet. Über Dein Leben. Seit dem 7. Oktober ist nichts mehr, wie es war. Zu dieser grausamen Situation muß der Kibbuz, in dem Du lebst, seit Wochen und Monate mit Raketenalarm leben. Ich freue mich umso mehr, dass Du Dir kurz für uns Zeit nimmst.

Wie sieht der Alltag im Kibbuz momentan aus, wie seid Ihr durch den Beschuss aus dem Libanon im Leben betroffen?

Haike Winter:

Seit Anfang Oktober2024 ist es bei uns etwas ruhiger geworden. Aber das will natürlich nichts heißen. Der Norden wird weiterhin täglich beschossen, Haifa und die Gebiete weiter nördlich, und eigentlich alle Gebiete die sich in der Nähe der libanesischen Grenze befinden. Ginegar befindet sich nur 6 km von der Luftwaffenbasis Ramat David entfernt. Wir sind im Moment eine sogenannte „grüne“ Zone und auch die Schulen kurzfristig wieder regulären Unterricht.

Du sagst, man habe nur wenige Sekunden Zeit, um bei einem Alarm sich in Sicherheit zu bringen. Was bedeutet das für die Senioren, die nicht rennen können?

Wir haben eine Minute Zeit. Unser Bunker befindet sich ca. 150 m von unserem Haus entfernt. Wir haben keinen Schutzraum in unserem Haus, wie viele andere Bewohner in Ginegar. Solange man darauf vorbereitet ist, lässt sich das machen. Aber wenn man um 1.00 Uhr von diesem schrecklichen Alarm aus dem Bett geworfen wird, ist es oft nicht zu schaffen. Man muss schauen, dass man angezogen ist, nicht gerade unter der Dusche steht, etc. Senioren haben keine Chance den Weg zum Bunker in einer Minute zu schaffen und bleiben in der Regel zuhause und hoffen auf das Beste. 

Du bist selbst Mutter eines wunderbaren Jugendlichen: was bedeutet diese Ausnahmesituation für Kinder und Jugendliche?

Mein Sohn steckt es mit 15 einigermaßen gut weg. Ich bin oft hysterischer, vor allem, weil ich 2006 zuhause war als eine Bombe damals 200 Meter von unserem Haus eingeschlagen hat. Aber kleine Kinder leiden sehr. Es gab Tage, an denen ganze Familien in den Bunkern gehaust haben, weil der Weg bei einem Alarm einfach zu weit ist. 

Was würde dem Kibbuz helfen? 

Im September hätte ich eine Delegation aus Deutschland als Reiseleiterin begleiten sollen. Das fiel leider aus. Irgendwann machte ich beim KKL eine Bemerkung, dass wir in Ginegar nicht genügend Bunker und Schutzräume haben. Und das fiel auf fruchtbaren Boden. Ich habe mich an Menschen im Kibbuz gewandt, die besser einschätzen können was und wo gebraucht wird. Der Plan ist, einige Schutzräume im Kibbuz zu verteilen, vor allem auch in der Nähe der Einrichtungen in denen sich Kinder aufhalten, aber auch ein normales Eingangstor und nicht einfach so eine Schranke.

Wir vom Jüdischen Nationalfonds Deutschland haben sofort beschlossen, mit einer Spendenaktion den Menschen in Ginegar zu helfen. Wir wollen Schutzräume für alle Menschen in Ginegar bauen. Was würde das für den Kibbuz bedeuten?

Das würde uns allen, älteren Menschen, Eltern, Kindern, sehr viel mehr Sicherheit geben, etwas Angst nehmen. Wenige Sekunden können im Fall eines Raketenbeschusses alles bedeuten. Und auch psychisch würden wir mehr Sicherheit empfinden, zu wissen, dass zum Beispiel unsere Kinder etwas mehr Zeit oder kürzere Strecken bis zum Schutzraum hätten. Denn um es in klare Worte zu fassen, der Unterschied kann für uns eine Frage von Leben oder Tod bedeuten.

Wie reagieren die Menschen in Ginegar auf die Initiative aus Deutschland?

Die Menschen freuen sich sehr, wir sind unendlich dankbar, dem JNF-KKL, aber vor allem den Menschen in Deutschland, denen Ginegar am Herzen liegt. Wir können es noch nicht ganz glauben. Selbst ich kann es noch nicht ganz glauben und bin sogar ein bisschen stolz, dass ich meinen Teil dazu beitragen konnte. 

Vielen Dank für die Zeit und die Eindrücke! 

Elad Rom, Vizepräsident Mirko Freitag und Haike Winter im Kibbuz Ginegar

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